Generative KI wie ChatGPT: Fluch oder Segen im Service

«Prompting ist das neue Business: Vom Machine Learning zum Machine Teaching» von Prof. Dr. Peter Gentsch

Ein Gespenst geht um in der Service-Welt: Alle reden von Generative KI und Conversational Marketing. Verständlich: Die Technologien könnten zum Game Changer werden. Man kann damit Service neu denken. Und die neue Generation von Künstlicher Intelligenz wird potenziell sogar zum Produktions- und Innovationsfaktor. Dazu kommt ein Faszinosum: Wie von Zauberhand erscheinen Ergebnisse auf den Bildschirmen. Man vergisst gerne, dass die KI schlicht grosse Datenmengen verarbeitet, um die Wahrscheinlichkeitsrechnung auf eine breitere Basis zu stellen.

Schadenfreude bei Fehlleistungen

Das Thema der Stunde hat selbstverständlich auch die Shiftfluencer erreicht, die sich von ihren etablierten Themen abkehrt haben und sich inzwischen Spezialisten für Künstliche Intelligenz nennen, nur weil sie etwas damit herumgespielt haben. Sie tragen kaum dazu bei, die ungeklärten Fragen zu beantworten, die viele professionelle Nutzer noch abwarten lassen. Die Fehler sind eben zu spektakulär: Ein Foto-Shooting vom Fussballer Erling Haaland machte die KI zu einer Todesmeldung. In den USA hat ChatGPT für einen Gerichtsfall plausible Präzedenzfälle erfunden. Als das herauskam, war es überaus peinlich für den Rechtsanwalt. Neue Möglichkeiten bedeuten eben auch neue Risiken auf dem Weg vom Lab in die Factory. Deshalb brauchen die Veränderungen noch etwas Zeit, bevor sie in unserem Wirtschaftsleben ankommen.

Angst verunmöglicht Erfolge

Ich bekam bei einem Selbsttest mit ChatGPT zunächst ordentlich Honig ums Maul geschmiert, als ich ein Portrait über mich in Auftrag gab. Doch Richtiges mischte sich mit komplett Falschem. Jeder Chatbot ist eben nur so gut wie die Daten, auf die er zurückgreift. Um die Ergebnisqualität zu erhöhen lässt sich mehr Wissen in die Sprachmodelle injizieren, das die jeweilige Domäne und Unternehmenswelt reflektiert.

Datenherkunft entscheidet

Bei der Bild-Generierung merkt man häufig, woher die Daten kommen, mit denen die AI trainiert wurde: Sie zeigen oft Fotoinhalte die primär aus den USA kommen. Also: Qualitätssicherung ist unverzichtbar, und falsche Antworten sind ein Problem, das man derzeit noch nur mit menschlicher Hilfe lösen kann. Den Unterschied bei der Entwicklung von ChatGPT 3.5 auf 4.0 machten Clickworker. Sie bewerteten von GPT generierte Inhalte, kennzeichneten für den lernenden Algorithmus die toxischen Inhalte, die er ignorieren soll, und sorgten für einen Qualitätssprung. Der «Human in the Loop» als Daten-Etikettierer im Sinne des sogenannten «Reinforcement Learning» ist noch unverzichtbar.

Zu bedenken ist ausserdem, dass die Copyright-Diskussion noch nicht vollständig gelöst ist. Inzwischen kann man seine eigenen Bilder für Suchalgorithmen im Internet vergiften, damit sie nicht unautorisiert benutzt werden. Allerdings werden die Crawler schlauer und können die Inhalte wieder entgiften. Das ist ein Wettrüsten, das nicht in die richtige Richtung weist.

Missbrauch möglich

ChatGPT wurde durch grosse Sprachmodelle (Large Language Models), NLP und Deep-Learning ermöglicht. Diese Technologien gibt es schon recht lange, doch es ist überraschend, wie schnell in jüngster Zeit Fortschritte durch die intelligente Kombination dieser Technologien gemacht wurden. Basis dafür ist die riesige Datenbank im Wesentlichen das Web. Inzwischen erlauben Multi-Modale Modelle sogar Realitätsnahe Gespräche mit virtuellen Personen, so z.B. mit Albert Einstein oder Gutenberg. So beeindruckend das ist, öffnet diese Technologie auch das Tor für Betrug und Kriminalität. So könnte z.B. der Enkeltrick eine völlig neue Qualität erfahren gesetzlichen Regelungen stehe ich trotzdem skeptisch gegenüber. Innovation lässt sich nicht verbieten.

Es lohnt sich trotz allem

Bei allen Bedenken: Künstliche Intelligenz kann Unternehmen Vorteile bringen. Jede Industrie und jeder Funktionsbereich dürfte zukünftig von der Unterstützung durch KI profitieren, über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Neben Produktivitäts- und Effizienzvorteilen lassen sich auch Ideation und Innovation umsetzen. Cola Cola hat z.B. eine neue Rezeptur mit dem Namen Y3000 mit KI entwickeln lassen. Die KI hat hier als Co-Creator unterstützt. Marketing kann Kampagnen personalisieren. Im Bereich Bildung gäbe es durch sie personalisierte Inhalte – Studierende wären nie wieder gelangweilt oder überfordert. KI hilft bei Knowledge Management, schreibt Protokolle, verwaltet Termine, erledigt Recherchen, macht Markt- und Kundenforschung dialogfähig, und schreibt Internet-Versandhändlern automatisch Produktbeschreibungen – sogar SEO-Optimiert. Beim Rephrasen kann sie bestehende Texte je nach Kanal verändern oder je nach Kunde andere Bilder zeigen. All das funktioniert nach dem Anlernen gut. Der finanzielle Beitrag an OpenAI, um das Tool nutzen zu dürfen, lohnt sich schnell.

Die Maschine als Co-Pilot

Von allen denkbaren Möglichkeiten sehe ich die Augmented Intelligence im Service am ehesten einsatzbereit. Wie ein Co-Pilot ist sie in Kombination mit einem Menschen hilfreich.  Im Test erledigten Wissensarbeiter, die KI einsetzten, im Durchschnitt 12,2 Prozent mehr Aufgaben, waren 25,1 Prozent schneller und erzielten 40 Prozent bessere Ergebnisse. Die Customer Journey wird demnächst von der Kunden-Akquise, über Pre-Sales bis zu After-Sales von KI unterstützt.

Noch immer gibt es einiges, was Menschen besser können als Computerprogramme, auch wenn es weniger wird. Im Test mit Kunden hat in 98 % der Fälle die KI besser abgeschnitten als der Mensch. Sie simuliert sogar Empathie besser als der Mensch.

Praktisches Vorgehen

Wer anfangen möchte, KI einzusetzen, kann sich von der Künstlichen Intelligenz Use Cases generieren lassen. Damit hat man ein erstes Brainstorming. Dann identifiziert man die Pain-Points, die man angehen möchte, und lässt die KI Lösungen vorschlagen. Man erhält Anhaltspunkte, an denen sich das Nachbohren und Weiterentwickeln lohnt. Dreh- und Angelpunkt bei Sprachmodellen wie ChatGPT oder auch bei eigenen Modellen sind die Prompts, die Aufgabenbeschreibungen. (Best-Practice-Prompts gibt es hier https://foundation-group.ai/) Sie müssen gut gestaltet sein, um gute Ergebnisse zu bekommen. Deshalb ist der Job des Prompt-Engineers entstanden. «Prompting ist das neue Business»! Vom Machine Learning zum Machine Teaching: Mitarbeitende müssen dafür ausgebildet werden, der Maschine die richtigen Fragen zu stellen.

10 Service-Booster durch Künstliche Intelligenz