Das CEX Trendradar 2023 von Nils Hafner und Harald Henn repräsentieren die Trends der DACH-Region. Die Technology Trends, die im Jahr 2023 identifiziert wurden, sind die folgenden:
Customer Data Platform (CDP), Customer Analytics und Conversational Automation, Customer Identity und Access Management (CIAM).
Qualitatives Wachstum bei Customer Data Platforms (CDP) und Customer Analytics, exponentielles Wachstum bei Conversational Automation: So lässt sich die Entwicklung für 2023 zusammenfassen. Dies lässt sich auf den ersten Blick aus dem Trendradar nicht ableiten. Gerade bei der Conversational Automation sehen wir eine stürmischen Entwicklung für 2023. Die Technologie wird in grossen Sprüngen schnell besser. Dank OpenAI sind viele Bausteine wie Spracherkennung, Sprachmodelle oder Intent-Erkennung frei zugänglich und werden von Softwareentwicklern weltweit weiter vorangetrieben. ChatGPT3 ist nur ein Vorgeschmack. Das Leistungsniveau wird damit auf breiter Front rasch angehoben. Auch wird an diversen Hochschulen enorm an den Möglichkeiten von Conversational Automation geforscht, sei es in Form von Chat- oder auch Voice-Bots. Dabei spielen Themen wie eine emotionale Anreicherung des Bots, um menschenähnlicher zu wirken, oder eine verstärkte Ausrichtung auf den Vertrieb eine grosse Rolle. Der zweite Treiber für die Dynamik ist der Fachkräfte-Mangel. Für Customer Service Abteilungen Mitarbeiter zu finden, fällt schwer. Einfache, homogene Anfragen lassen sich vom digitalen Chat- oder Voice-Bot-Kollegen sehr gut erledigen, und Kunden haben sich bei Stadtwerken, dem Online-Handel oder Versicherungen sehr schnell an diese Technologie gewöhnt. Diese Akzeptanz wird weitere Branchen beflügeln, dem Fachkräfte-Mangel mit Conversational Automation zu begegnen.
Im Gegensatz dazu stecken Augmented Reality/Virtual Reality/Metaverse momentan bei der weiteren Durchdringung im Markt fest. Weniger im B2B Sektor; dort ist der Einsatz gerade im Customer Service bei Investitionsgütern oder Immobilien effizient, für Kunden zeitsparend und etabliert. Im B2C Markt sind viele Experimente mit Gaming Ansätzen ausprobiert worden. Viele davon generieren keinen direkt nachweisbaren Return on Investment und wurden im Krisenjahr 2022 wieder eingestellt. Das „Metaverse“ findet sich als klassischer B2C Ansatz in nahezu allen CX relevanten „Hype Cycle“-Darstellungen des Jahres 2022 wieder. Jedoch fehlen bislang grundlegende Definitionen. Zentral ist auf jeden Fall der Gedanke, einen Avatar durch virtuelle Welten zu bewegen. Im Gaming gibt es das seit 20 Jahren. Einen neuen Schwung werden alle diese Systeme jedoch erst wieder bekommen, wenn die Anwendungen auch abseits des Gamings nachweisbar zu mehr Umsatz führen oder für eine bestimmte Zielgruppe ein „Must have“ darstellen. Für 2023 sehen wir hier eine stagnierende Entwicklung.
Last but not least begrüssen wir CIAM – Customer Identity und Access Management – bei den Technologie Trends. Digitale Kundenreisen über mehrere Touchpoints hinweg erfordern vom Kunden, dass er sich authentifiziert und/oder identifiziert. Vertrauen in den Anbieter, Einhaltung von Datenschutzrichtlinien auf der einen Seite und möglichst einfache Schritte für den Kunden auf der anderen Seite stellen ein Spannungsfeld für ein sicheres und einfaches Kundenerlebnis dar. Klassischerweise also ein Fall für das „Vereinfachen“ in der Value-Irritant-Matrix. Hier setzen CIAM-Lösungen an. Für komplexe Customer Journeys mit einem starken Fokus auf digitale Touchpoints sind CIAM-Lösungen unverzichtbar. Ein Trend, der nicht gerade sexy daherkommt; der Reiz liegt jedoch darin, gesetzliche Vorschriften, den Schutz der Daten und die notwendigen Abfragen so zu gestalten, dass die Kunden Sicherheit, Vertrauen und Einfachheit zugleich erleben.
Gesamthaft sind wir der Ansicht, dass 2023 ein Jahr der Grundlagenarbeit sein wird. So wie beim Hausbau auch zunächst der Architekt einen Plan entwerfen muss (CX Strategie), danach das Fundament gegossen wird (Customer Data Platform) und man anschliessend mit dem Mauern des ersten Stocks (Customer Analytics, Customer Journey Management, CX Cockpit) beginnt, verhält es sich auch mit CX. Die wirtschaftlichen Krisen werden die CX-Bauherren eher vorsichtig agieren lassen. Beschleunigend wirken Ideen, die auch kurzfristig zu mehr erfolgreicher Automation (Conversational Automation) im Kundenkontakt und zu einfachen Self-Service-Tools (Value-Irritant-Matrix, CIAM) führen. Ansonsten werden solide Konzepte und Umsetzungen dominieren.
Digitaler Kundenservice, Conversational User Interfaces und generative KI werden laut Gartner den größten Einfluss auf Kundenservice- und Support-Strategien haben. Die Trends, welche von Gartner identifiziert wurden, zeigt auf, welche Trends 2023 weltweit von grosser Bedeutung waren.
Gartner prognostiziert, dass bis 2025 80 % der Kundenservice- und Supportorganisationen generative KI-Technologie in irgendeiner Form einsetzen werden, um die Produktivität der Agenten und die Kundenerfahrung (CX) zu verbessern. Generative KI, die sich derzeit auf dem Höhepunkt der aufgeblähten Erwartungen befindet, wird vor allem für die Erstellung von Inhalten, KI-gestützte Chatbots und die Automatisierung menschlicher Arbeit eingesetzt werden.
Die größte Auswirkung wird die generative KI wahrscheinlich auf die Kundenerfahrung haben. Laut einer aktuellen Gartner-Umfrage sehen 38 % der Führungskräfte die Verbesserung der Kundenerfahrung und -bindung als Hauptziel von Initiativen zum Einsatz von Anwendungen, die auf großen Sprachmodellen trainiert sind.
Wir gehen nicht nur davon aus, dass Unternehmen 20-30 % ihrer Agenten durch generative KI ersetzen werden, sondern auch, dass dadurch neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um solche Fähigkeiten zu implementieren.
Conversational User Interfaces (CUIs) sind Mensch-Computer-Schnittstellen, die Interaktionen in natürlicher Sprache ermöglichen, um eine Anfrage zu erfüllen, z. B. eine Frage zu beantworten oder eine Aufgabe zu erledigen. CUIs bieten eine direkte Kontrolle zwischen dem Kundendienstmitarbeiter und den Anwendungen, die er bedient. Wenn diese Technologie zur Automatisierung des Supports über Chatbots eingesetzt wird, verbessert sie das Kundenerlebnis und die Akzeptanz des Self-Service.
Mit der Einführung zahlreicher digitaler Kommunikationskanäle erwarten die Kunden zunehmend einen sofortigen und mühelosen Kundenservice. Gleichzeitig kann die Einführung weiterer Kanäle den Aufwand für den Kunden erhöhen, da er zwischen den Kanälen wechselt.
Angebote für den digitalen Kundenservice konzentrieren sich auf die nahtlose Orchestrierung von Konversationen über digitale Kanäle hinweg. Der Wunsch nach Selbstbedienung in Verbindung mit dem Aufkommen von KI hat zu einer Weiterentwicklung der meisten Interaktionsmodelle geführt. Gartner sieht daher die Entstehung eines neuen Bereichs der Kundenbetreuung, der als „digitaler Kundenservice“ bezeichnet wird.
Der digitale Kundenservice wird das Kundenerlebnis verändern, indem er Reibungsverluste reduziert und unnötigen Aufwand für den Kunden eliminiert. Durch die Schaffung eines nahtlosen Kundenerlebnisses wird diese Technologie die Kundenabwanderung verringern und die Kundenzufriedenheit erhöhen.
Bevor wir die Digital Customer Excellence Information und Trend Plattform ins Leben gerufen haben, haben wir eine Vorstudie, im Rahmen einer Master-Thesis von Michelle Auer durchgeführt. Mithilfe dieser Vorstudie konnten wir wichtige Technologien identifizieren, welche auch Teil des DCX-Benchmarkings sind.
Die steigende Nutzung digitaler Medien, das verändernde Kundenverhalten und die Vielzahl an Technologien, welche heute auf dem Markt sind, beeinflussen das Kundenmanagement zunehmend. Die Diskrepanz zwischen Trendsettern und Nachzüglern am Markt steigt dadurch weiter an. Digitale Technologien bieten Unternehmen grosses Potenzial, um Lösungen zu schaffen und den steigenden Kundenerwartungen gerecht zu werden. Allerdings ist es gerade die grosse Anzahl an Technologien auf dem Markt, welche die Entscheidung, auf welche Technologie gesetzt werden soll, erschwert.
Im Rahmen der Master-Thesis wurden Personen, welche in der Finanzbranche im Customer Service tätig sind, zu unterschiedlichen Technologien befragt. Ziel war es herauszufinden, welche Technologien einen Trend aufweisen und wie relevant diese Technologien für die Finanzbranche zukünftig sein werden.
Von den insgesamt 13 identifizierten Technologietrends konnte bei acht Technologien ein Trend im Customer Service in der Finanzbranche festgestellt werden. Folglich werden die acht Technologietrends genauer erläutert und auf deren Trendrelevanz sowie Trendreife eingegangen. Die Trendrelevanz gibt Auskunft, wie relevant eine Technologie in Zukunft sein wird. Hierbei gibt es drei verschiedene Ausprägungen «Wenig relevant, Relevant und Sehr relevant». Die Trendreife zeigt, wie stark die Technologie am Markt etabliert ist und ob sie von Unternehmen bereits eingesetzt wird. Die Trendreife beinhaltet die Phasen «Geplant, Pilotiert, Eingeführt und Etabliert».
An der Vorstudie haben 51 Personen teilgenommen, wovon 28 Personen der Zielgruppe entsprachen und somit die Ergebnisse repräsentieren. Zur Zielgruppe gehörten Personen aus der Finanzbranche, welche im Customer Service tätig sind.
Die Technologie Chatbot weist einen Trend auf. Alle Teilnehmenden gaben an, die Technologie zu kennen. Die Mehrheit (rund 90%) hat die Technologie Chatbot bereits im Unternehmen eingeführt, pilotiert oder plant die Technologie einzuführen.
Die Trendreife des Chatbots ist der Phase «Eingeführt» zuzuordnen. Das bedeutet, dass die Unternehmen die Technologie eingeführt bzw. frisch eingeführt haben. Immer mehr Unternehmen in der Finanzbranche beginnen damit, Chatbots im Unternehmen einzuführen. Allerdings bestehen immer noch Hürden, welche überwunden werden müssen, um die nächste Phase zu erreichen. Die Trendrelevanz wird als hoch für die Finanzbranche im Customer Service eingeschätzt. Diese hohe Relevanz kann darauf zurückgeführt werden, dass der Chatbot eine grosse Entlastung für die Contact Center Mitarbeitenden darstellt und einfache, repetitive Anrufe vermindert werden können. Zusätzlich kann der Chatbot 24/7 für einfache Serviceanliegen eingesetzt und den Kund:innen dadurch ein weiterer Kanal geboten werden, um mit dem Unternehmen in Kontakt zu treten.
Die Technologie Voicebot inkl. Spracherkennung (Sprachbiometrie) weist einen Trend auf. 93% der Befragten kennen die Technologie, 12% davon haben diese bereits im Unternehmen eingeführt.
Die Trendreife des Voicebots befindet sich im Gegensatz zum Chatbot erst am Anfang der Phase «Pilotiert». Es können also noch keine konkreten Erfahrungswerte zur Technologie geteilt werden. Die Trendrelevanz wird als hoch eingeschätzt. Die Technologie wird auch in Zukunft in der Finanzbranche von zentraler Bedeutung sein.
«Der Voicebot inkl. Spracherkennung (Sprachbiometrie) kann die Unternehmen bei der frühzeitigen Identifizierung der Kund:innen unterstützen und die Gesprächsdauer somit optimiert werden. Eine grosse Hürde weist der Datenschutz bei der Sprachbiometrie auf, weshalb darauf speziell Rücksicht genommen werden sollte.»
Die Technologie Live-Chat inkl. Messenger weist einen Trend auf. 63% der Befragten haben die Technologie bereits im Unternehmen eingeführt, pilotiert oder geplant einzuführen.
Die Trendreife befindet sich in der Phase «Pilotiert», was bedeutet, dass vereinzelte Unternehmen die Technologie eingeführt haben, allerdings noch keine Erfahrungswerte geteilt werden können. Die Trendrelevanz wird als mittel eingestuft.
«Die Meinungen bezüglich des Live-Chats sind geteilt. Während ein Teil der Teilnehmenden die Technologie als wichtig für die Kundenzufriedenheit einschätzen, schätzen andere Teilnehmende diese Technologie als wenig relevant ein. Die Argumente hier sind, dass im Bereich des Bankwesens ein Telefongespräch mehr Vorteile bringt als ein Chat und sich die Personalplanung aufgrund der Echtzeit Beantwortung der Anfragen als schwierig erweist.»
Die Technologie Videochat inkl. Co-Browsing weist einen Trend auf. 52% der Teilnehmenden haben die Technologie bereits im Unternehmen eingeführt, pilotiert oder planen diese einzuführen.
Die Trendreife dieser Technologie befindet sich noch in der Phase «Geplant», steht allerdings kurz vor dem Übergang in die Phase der «Pilotierung». Der Technologietrend ist noch neu und die Unternehmen beginnen darüber nachzudenken, die Technologie einzuführen. Die Trendrelevanz wird als mittel eingeschätzt.
«Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Technologie in Zukunft einen weiteren Kanal für die Interaktion mit den Kund:innen im Customer Service, darstellt. Durch den Einsatz von Videochat inkl. Co-Browsing kann das Kundenerlebnis verbessert werden. Zusätzlich stellt dieser Kanal eine Alternative zum physischen Touchpoint dar.»
Die Technologie Customer Data Platform (CDP) weist einen Trend auf. Mehr als die Hälfte (63.63%) der befragten Teilnehmenden haben die Technologie bereits im Unternehmen eingeführt, pilotiert oder geplant einzuführen.
Die Trendreife dieser Technologie befindet sich in der Phase «Pilotiert». Zwar haben vereinzelte Unternehmen die Technologie bereits eingeführt, allerdings können noch keine Erfahrungswerte geteilt werden, da sich der Einsatz der Technologie noch in der Pilotierung befindet. Die Trendrelevanz wird als sehr relevant eingeschätzt.
«Die Technologie CDP ist gerade im Bereich des Customer Service sehr wichtig, da diese Technologie die Basis für einen personalisierten Kundenservice darstellt. Aber auch für die Sammlung von Kund:innendaten ist CDP sehr wichtig.»
Die Technologie Customer Analytics weist einen Trend auf. 84% der Teilnehmenden hat die Technologie bereits eingeführt, pilotiert oder geplant einzuführen.
Die Trendreife dieser Technologie befindet sich in der Phase «Eingeführt», was bedeutet, dass diese von den Unternehmen genutzt wird und bereits in den Unternehmen eingeführt beziehungsweise frisch eingeführt ist. Die Relevanz wird als hoch eingestuft.
«Die Chancen sind hoch, dass diese Technologie auch in Zukunft in der Finanzbranche im Customer Service eine zentrale Rolle spielen wird. Mithilfe von Customer Analytics kann das Marktverhalten besser analysiert und Kund:innen im richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Produkten angesprochen werden.»
Die Technologie CIAM ist ein relativ neuer Trend. CIAM wird lediglich von 36% der Befragten gekannt, wovon 50% die Technologie eingeführt haben.
Die Trendreife befindet sich in der Phase «Pilotiert», was bedeutet, dass vereinzelte Unternehmen die Technologie bereits eingeführt haben. Der Trend wird als sehr relevant für die Zukunft der Finanzbranche im Bereich Customer Service gesehen.
«Gerade die Identifizierung von Kund:innen über das Telefon stellt einen Pain Point für beide Seiten dar. Deshalb ist es wichtig, die Identifizierung so einfach wie möglich zu gestalten. Zusätzlich stellt diese Technologie ein Must-Have für die Kundeportale dar und ist datenschutzkonform.»
Die Technologie Intelligente Warteschleife- und Rückruftechnologie weist einen Trend auf. 92% der befragten Teilnehmenden, welche die Technologie kennen, haben diese bereits eingeführt, pilotiert oder planen diese einzuführen. Es zeigt sich also eine hohe Relevanz bei dieser Technologie. Die Trendreife befindet sich noch in der Phase «Pilotiert» und steht kurz vor dem Übergang zu «Eingeführt».
«Mittels dieser Technologie können Unternehmen eine bessere Erreichbarkeit sicherstellen und die Wartezeiten für Kund:innen verkürzen.»
Bei 5 der insgesamt 13 identifizierten Technologietrends konnte kein Trend in der Finanzbranche im Bereich Customer Service festgestellt werden.
Die Technologien «Contact Management System» und «CRM-System» weisen keinen Trend mehr auf. Die Technologie Contact Management System ist bereits in den Unternehmen eingeführt. Allerdings bestehen noch einzelne Hürden, welche überwunden werden müssen, bis die Technologie zum Unternehmenserfolg beiträgt. Die Technologie CRM-System ist etabliert und gilt als Standard in der Finanzbranche im Bereich Customer Service. Die Auswertung zeigte, dass ein Contact Management System meistens in Verbindung mit einem CRM-System verwendet wird. Es lässt sich somit einen Zusammenhang zwischen dem CRM-System und Contact Management System erkennen.
Bei den Technologien «Metaverse», «Computer Vision» und «Large Language Models (LLM)» konnte kein Trend in der Finanzbranche im Bereich Customer Service festgestellt werden. Dennoch sollte die Entwicklung dieser Technologien weiterhin beobachtet werden, da diese Technologien grosse Potenzial für die Zukunft im Customer Service aufweisen könnten. Als Beispiel ist die Kombination von LLM mit einem Chatbot zu nennen. Mithilfe von LLM kann beispielsweise der Dialog mit den Kund:innen verbessert werden.